Seit dem 29. Mai 2025 informiert eine neue Online-Ausstellung der Organisation Terre des Femmes (TDF) über weibliche Genitalverstümmelung (Female Genital Mutilation, FGM) und den Kampf dagegen. Dabei werden Geschichten und Hintergründe aus den Ländern Sierra Leone und Deutschland erzählt.
Doch erst einmal gibt es eine Überraschung: In der Sierra Leone-Abteilung der Online-Ausstellung geht es zu Beginn spielerisch um Sprachen wie die ans Englische angelehnte Sprache Krio, die im multi-ethnischen Sierra Leone zur Verständigung untereinander benutzt wird. Das weckt die Neugier auf die Gesichter, die Geschichten, und die Stimmen dahinter. Denn es sind die jungen Bewohnerinnen eines Mädchenschutzhauses der sierraleonischen Partnerorganisation AIM, welche die Sätze und Wörter eingesprochen haben, an deren Verständnis und Anwendung sich Ausstellungsbesucher erproben können. Diese Mädchen sind dem Einfluss der mächtigen Frauen-Geheimbünde, genannt "Bondo" entgangen. Die Bondos organisieren Mädchenbeschneidung als festen Bestandteil ihrer Riten beim Übergang zwischen Kindheit, Jugend und Erwachsenensein.
Die Informationen der Ausstellung sind in gut verdauliche Informationshappen aufgeteilt, zwischen Text, Audiodateien, Videos und interaktiv gestalteten Quizaufgaben. Auf der Entdeckungsreise durch die Webseiten lässt sich hin und her springen. Man merkt sich dabei viele Informationen, ohne von ihnen erschlagen zu werden: Dass weltweit über 230 Millionen Frauen und Mädchen von Genitalverstümmelung betroffen sind, davon über 100.000 in Deutschland. In welchen acht afrikanischen Ländern ihr Anteil über 80 Prozent liegt. Welche vier Arten von FGM unterschieden werden. Wie Communities von Migranten in Deutschland gegen Frauenbeschneidung arbeiten. Wie in Sierra Leone die herkömmlichen "Bondo"-Zeremonien durch unschädliche Riten ersetzt werden können.
Das Ausmaß der FGM in Sierra Leone ist erschreckend. Über 83 Prozent Beschnittene sind es in der weiblichen erwachsenen Bevölkerung. Einer wissenschaftlichen Studie von 2013 zufolge wurde bei mehr als der Hälfte von Ihnen nicht nur die Klitoris entfernt, sondern auch die äußeren Schamlippen.
Mit der lokalen Partnerorganisation AIM, mit dem deutschen Verein Pfefferminzgreen und Zuschüssen der deutschen Regierung wird an Alternativen für die Dorfgemeinschaften gearbeitet. Sie können beispielsweise ein Schulgebäude erhalten, wenn sie im Gegenzug die FGM-Praktiken ersetzen. Dabei erfahren sie viel über die schädlichen Konsequenzen der FGM.
Als Tutorial, warum Genitalverstümmelung schädlich ist, ist unversehrt-ausstellung.de effizient. In den logisch aufeinander aufbauenden und trotzdem einzeln verdaulichen Texten, Videos und interaktiven Quiz-Aufgaben gibt es viel zu entdecken – so auch eine Anleitung, welche Begriffe bei Gesprächen mit Betroffenen benutzt werden können, um sie nicht der Stigmatisierung auszusetzen. Ein Widerlegen aller Argumente der mächtigen Gegenseite (Ein Argument aus Sierra Leone : Mädchen-Beschneidung biete gesundheitliche Vorteile) bieten die Texte nicht. Doch eines ist auch nach Besuch der Online-Ausstellung klar: Die Vertreterinnen und der Vertreter der kulturell diversen Pro-Beschneidungsszene sind derzeit in den betroffenen Regionen noch übermächtig.
Laut Birgitta Hahn von TDF haben bei der online-Ausstellungseröffnung mehrere Teilnehmer danach gefragt, wie TDF zur Jungenbeschneidung steht. Deshalb, so Hahn, "erwägen wir unser Positionspapier zu FGM und MGM noch in der Digitalausstellung zu verlinken." Aus diesem Papier geht hervor, dass die Organisation die Jungenbeschneidungen ebenfalls sehr kritisch sieht.