Kommentar

Fußball mit Händen, oder: Warum man rechtsextreme Parteien nicht politisch stellen kann

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Kundgebung vor dem Bundeskanzleramt in Berlin mit der Forderung ein Verbot der AfD zu prüfen (2024).
Verbot der AFD prüfen

Die Alternative für Deutschland (AfD) ist gesichert rechtsextrem, so der Verfassungsschutz. Die ganze AfD? Ja, die ganze AfD. Als Begründung führt der Inlandsgeheimdienst unter anderem das "ethnisch-abstammungsmäßige Volksverständnis" der Partei an. Jetzt zeigt sich, ob an der "Wehrhaftigkeit" unserer Demokratie wirklich etwas dran ist.

Stellen wir uns einmal vor, es ist Fußballweltmeisterschaft. 32 Nationen treten an, doch dieses Mal hat das Turnier einen Clou: Ein Team darf mit den Händen spielen. Wenig überraschend regt sich dagegen vehementer Protest, doch die Turnierleitung wiegelt ab: Wenn ihr besser seid, ja dann stellt sie doch auf dem Platz, sagt die FIFA.

Eben so verhält es sich mit rechtsextremen Parteien in einer Demokratie. Sie beanspruchen den Schutz vor Tackles und Grätschen, den die allgemeinen Spielregeln allen Teilnehmenden zusichern, doch lassen sich in ihrer eigenen Spielweise davon nicht einschränken. Sie schreien "Foul!", wenn ein gegnerischer Verteidiger die Hand an den Ball anlegt, doch greifen selbst danach. Mit Rechtsextremen Demokratie spielen ist wie eine Fußball-WM, bei der ein Team American Football spielt.

Wenn die entsprechende Mannschaft unter diesen Umständen verliert, wirft das die Frage auf: Hat sie verloren, weil die anderen tatsächlich besser waren oder weil sie ihren eigenen unfairen Wettbewerbsvorteil nicht gänzlich ausgenutzt hat? Und was heißt das für den nächsten Wettbewerb?

Die initiale Strategie einer politischen "Entzauberung" oder "Demaskierung" ist fehlgeschlagen. Fans der AfD davon zu überzeugen, dass diese Partei ein riesiger Hoax ist, funktioniert aus den selben Gründen nicht, aus denen sich die Fans der unfair spielenden Mannschaft nicht davon überzeugen lassen, dass ihr Sieg weniger wert ist, wenn er mit den Händen errungen wurde: Es ist nicht so wichtig wie viel mehr, dass man gewinnt.

Diese Herangehensweise kann Erfolg haben, wenn eine Partei in Teilen in den Extremismus abdriftet und man eine realistische Möglichkeit sieht, sie durch elektoralen Druck zu einer inneren Transformation anzuregen. In dem Moment allerdings, wo eine gesamte Partei als gesichert rechtsextrem eingestuft wird, muss dieser Plan verworfen werden und wir müssen von der Idee einer Normalisierung oder Kompromissfindung abrücken. Das ist kein Fall mehr für die Politik, sondern fürs Bundesverfassungsgericht.

Wer jetzt noch immer der Meinung ist, die AfD solle Regierungsverantwortung übernehmen und von der Realpolitik entzaubert werden, der wünscht eine rechtsextreme Partei an die Schalthebel der Macht.

Elon Musk speaking at the 2025 Conservative Political Action Conference (CPAC) at the Gaylord National Resort & Convention Center in National Harbor, Maryland. Foto: © Gage Skidmore, Wikipedia, CC BY-SA 2.0
Elon Musk bei der Conservative Political Action Conference (CPAC) in National Harbor, Maryland (2025). Foto: Gage Skidmore, Wikipedia, Lizenz: CC BY-SA 2.0

Wer jetzt noch immer der Meinung ist, die AfD müsse normalisiert und eingehegt werden, der akzeptiert die Normalisierung von Verfassungsfeindlichkeit.

Es gibt kein Szenario, in dem das irgendwie gut ausgeht. Selbst wenn die AfD sich im Amt bis auf die Knochen blamiert, wird sie derweil einen kaum wieder gutzumachenden Schaden anrichten. Nachweis gefällig? Elon Musk sieht aus wie ein Clown mit seiner Kettensäge, aber hat die Daten von hunderten Millionen Menschen gestohlen, das Renten- und Krankenversicherungssystem geschreddert und SpaceX derweil noch neue Regierungsaufträge in Milliardenhöhe zugeschanzt. Das ist Teil der Vision der AfD für Deutschland.

Demokratie ist unsere eigene Entscheidung

Wir sind an einem Punkt, an dem das Verbotsverfahren von der Möglichkeit zur Notwendigkeit wird. Der Verfassungsblog legte das vor einigen Monaten in einer wirklich lesenswerten juristischen Stellungnahme in epischer Breite dar. Mit dieser Einstufung öffnet sich nicht nur die Tür für ein Verbotsverfahren gegen die gesamte AfD, diese Einstufung macht ein solches Verfahren alternativlos. Denn unser Grundgesetz fordert, dass die Demokratie sich dagegen wehren muss, abgeschafft zu werden. Die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu verteidigen ist kein Privileg, sondern eine Pflicht.

Eine Pflicht, die auch aus der Geschichte erwächst. Wir haben schon einmal die Chance verstreichen lassen, eine rechtsextreme Partei rechtzeitig zu verbieten, weil wir sie lieber politisch stellen wollten, und bekommen haben wir Auschwitz, Belzec und Treblinka. Was erhielt die Deutsche Zentrumspartei noch gleich als Dank dafür, dass sie der NSDAP formell zur Macht verhalf? Auflösung und Konzentrationslager. Was sagte Goebbels noch gleich über eine Demokratie, die so blöde ist, diejenigen, die sie verachten und vernichten wollen, auch noch mit Diäten zu würdigen?

Also haben wir zusätzliche Mechanismen eingebaut, die eine Wiederholung dieses Horrors verhindern sollen. Denn die freiheitlich-demokratische Grundordnung ist nichts weiter als ein Regelsystem, das wir uns selbst gegeben haben. Dieses Regelsystem sieht vor, dass das Verbotsverfahren eine legitime Präventivreaktion – mit Betonung auf "Präventiv-" – einer wehrhaften Demokratie auf ihre existentielle Bedrohung ist, um dem Angreifer die Organisations- und Infrastruktur zu entziehen. Und dann, dann beginnt die eigentliche Arbeit. Um mit dem Verfassungsblog zu schließen: "Das Verbot der AfD ist nicht das Ende der Auseinandersetzung mit rechtsextremen Positionen in der deutschen Gesellschaft, sondern ihr Anfang."

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