Die Freiheit der Wissenschaft steht von sehr vielen politischen und weltanschaulichen Seiten unter Druck. Das zeigt ein Blick auf die jüngsten Ereignisse an der US-amerikanischen Elite-Universität Harvard. Aber auch in Deutschland versuchen Aktivisten, unliebsame Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen mundtot zu machen. Ein Appell für Aufklärung, Skepsis, Offenheit und den Mut zur Debatte.
Mehr als 36 Jahre ist es her, dass der damalige iranische Revolutionsführer Ayatollah Khomeini zur Ermordung des britischen Autors Salman Rushdie aufrief. Vor knapp drei Jahren versuchte ein Mann, dieses Todesurteil umzusetzen, attackierte den Schriftsteller auf offener Bühne mit einem Messer. Rushdie überlebte schwer verletzt. Der Täter wurde jetzt von einem Gericht im US-Bundesstaat New York verurteilt.
Peyman Farah-Avar, ein iranischer Dichter und Satiriker aus der Provinz Gilan, ist von einem islamischen Revolutionsgericht in Rascht zum Tode verurteilt worden. Der etwa 37-Jährige soll laut Anklage die öffentliche Sicherheit gefährdet haben, die Vorwürfe gelten als konstruiert und politisch motiviert.
Manch einer fühlt sich an Dystopien wie "The Handmaid's Tale" erinnert: Im US-Außenministerium sollen sich die Mitarbeiter jetzt gegenseitig anschwärzen – wegen "antichristlicher Voreingenommenheit". Während die Trump-Administration von einem Schutz der Religionsfreiheit spricht, sind Nichtregierungsorganisationen alarmiert.
In Algerien wurde er gerade zu einer fünfjährigen Haftstrafe aufgrund einer bloßen Meinungsäußerung verurteilt. Boualem Sansal gehört dort zu den kritischen Schriftstellern, seine Einwände beziehen sich nicht nur auf den Islam und den Islamismus, sondern auf alle Formen des religiösen Glaubens. Davon zeugt eine ältere Streitschrift.
Es ist wieder soweit, der indonesische Blasphemie-Hammer hat zugeschlagen. Die muslimische Transfrau und TikTok-Influencerin Ratu Thalisa hat es gewagt, Jesus Christus in einem albernen Scherzvideo darauf hinzuweisen, dass er sich mal einen anständigen Haarschnitt zulegen solle, um "wie ein richtiger Mann" auszusehen. Ein Witz, der ihr nun fast drei Jahre Gefängnis beschert. Eine Glosse über ein Land, in dem Gotteslästerung schwerer geahndet wird als Korruption und Umweltverschmutzung.
Er war der "freieste aller Freidenker", schreibt der Historiker Volker Reinhardt in seiner 2024 erschienen, vielbeachteten Bruno-Biografie, ein "intellektueller Anarchist und Albtraum aller Orthodoxiewächter". Heute vor 425 Jahren, am 17. Februar 1600, wurde Giordano Bruno, der das Universum für "unendlich" und religiöse Dogmen für "Eseleien" hielt, als "halsstarriger Ketzer" auf dem Scheiterhaufen verbrannt.
Über die Hälfte der Weltbevölkerung lebt in Ländern, die Blasphemie oder "Gotteslästerung" per Gesetz verbieten. In einigen Ländern droht Betroffenen die Todesstrafe oder mehrere Jahre Gefängnis. Der jetzt erschienene "Freedom of Thought Report 2024" der Organisation Humanists International wirft ein Schlaglicht auf diese gravierende Verletzung der Menschenrechte von nicht-religiösen Menschen.
Gute Vorsätze hält das neue Jahr genügend bereit: Sich Zuversicht bewahren. Den Kopf klar behalten. Weniger und bessere Medien konsumieren. Und: X zum Teufel jagen. Denn das Soziale Netzwerk, auf dem heute Abend sein Käufer mit der Kanzlerkandidatin der AfD live sprechen will, erfüllt wichtige Mindeststandards für freie Meinungsäußerung nicht mehr.
"Falls Sie befürchten, religionskritische Zeichnungen könnten Sie dazu verleiten, in die Luft zu gehen oder, schlimmer noch, andere in die Luft zu sprengen, beenden Sie das Video unverzüglich!", lautet die Triggerwarnung zu dem "Free Charlie!"-Film, der heute zum 10. Jahrestag des Anschlags auf "Charlie Hebdo" auf dem YouTube-Kanal der Giordano-Bruno-Stiftung veröffentlicht wurde. Es ist ein entschiedener Aufruf, sich von Fundamentalisten nicht einschüchtern zu lassen.
Die Meinungsfreiheit ist in islamischen Staaten kein hohes Gut. Wer politische Machthaber oder religiöse Strukturen im Iran, in Ägypten oder in Saudi-Arabien kritisiert, muss mit schweren Konsequenzen rechnen, von langjährigen Haftstrafen bis hin zur Todesstrafe. Besonders Schriftsteller und Intellektuelle sind ein Dorn im Auge repressiver Regime, die sich vor allem vor der Macht des geschriebenen Wortes fürchten. Ein aktuelles und erschreckendes Beispiel liefert Algerien.
Es gehört zur islamischen Gewohnheit, religionskritische Gedanken auch mit Gewalt aus der Welt zu schaffen. Fanatische Irrläufer sehen "religiöse Gefühle" verletzt. Wir aber leben in keinem Gottes-, sondern einem Verfassungs-Staat. Alle Religionen dürfen kritisiert, belächelt, ja auch verspottet werden. Doch im Umgang mit dem Islam scheinen andere Regeln zu gelten.
Nicht nur im Iran oder in Saudi-Arabien drohen Gotteslästerern harte Strafen. Auch im deutschen Strafgesetzbuch (StGB) findet sich ein Paragraph, der für Religionskritiker ungeahnte Folgen haben kann. Die Humanisten Leer haben sich im Rahmen ihrer Veranstaltungsreihe "Humanistische Gespräche" mit dem Paragraphen 166 StGB beschäftigt. Sie fordern nun von Bundesjustizminister Marco Buschmann dessen Abschaffung.
Die Mitzeichnungsfrist für die Bundestagspetition zur Streichung des Paragrafen 166 StGB ist abgelaufen. Nun liegt es in den Händen der Politik, ob dieser Impuls der Zivilgesellschaft aufgegriffen wird oder nicht. Im hpd-Interview spricht der Initiator der Petition, Michael Schmidt-Salomon, über die Mythen, die der Abschaffung des Paragrafen im Weg stehen, sowie über sinnvolle und weniger sinnvolle Wege, den Gefahren des Antisemitismus entgegenzutreten.
Vergangene Woche nahm das Bundesinnenministerium die umstrittene Studie zur Muslimenfeindlichkeit von seiner Internetseite und vernichtete 200 Druckexemplare. Vorausgegangen war ein Antrag auf einstweilige Verfügung des Publizisten Henryk M. Broder, dem das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin stattgegeben hat. Auch die Islamismuskritikerin Sigrid Herrmann erhob rechtlichen Einspruch gegen die Verunglimpfung ihrer Privatperson in der Publikation. Nun soll die Studie durch die "Deutsche Islamkonferenz" erneut veröffentlicht werden. Der hpd sprach mit Herrmann über den tendenziösen Bericht, den Stand der Meinungsfreiheit in Sachen Politischer Islam, ihr laufendes Klageverfahren und die Zukunft der Erhebung.