Grundrechte-Report 2025 – eine düstere Chronik

Wenn Grundrechte geschleift werden

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Symbolbild
Symbolbild

Wenn ein Bündnis von zehn Bürgerrechtsorganisationen einmal pro Jahr den Grundrechte-Report vorstellt, dann ist das alles andere als eine Feier des Rechtsstaats. Kein Loblied, wie wir es etwa von einem runden Geburtstag des Grundgesetzes kennen, bei dem (zu Recht) die in der Verfassung garantierten Grundrechte gepriesen werden. Der Report zeigt eher anklagend auf, an welchen Stellen die Staatsgewalt dem Anspruch der Grundrechte in der Praxis nicht gerecht wird. Die Fälle, in denen Menschen, die eigentlich durch die Grundrechte geschützt werden sollen, allein gelassen oder gar bewusst verletzt werden. So ist es auch dieses Mal wieder.

Maximilian Steinbeis, freier Publizist und Geschäftsführer des renommierten Verfassungsblogs, mahnte bei der Vorstellung des nun schon zum 29. Mal erschienenen Grundrechte-Reports in Berlin:

"Wir leben in dunklen Zeiten. Die täglichen Nachrichten aus den USA dürfen nicht überdecken, wie sehr auch im Geltungsbereich des Grundgesetzes die autoritäre Wende voranschreitet."

Grundrechte-Report 2025, Cover
Grundrechte-Report 2025, Cover

Der Grundrechte-Report 2025 ist alles andere als eine erbauliche Lektüre, vielmehr eine Sammlung düsterer Kapitel der deutschen Rechtspraxis. Oder wie es Charlotte Ellinghaus, Mitglied im Bundesvorstand der Vereinigung Demokratischer Jurist:innen (VDJ), ausdrückt:

"Die im Report erläuterten Fälle zeigen deutlich, wie unsere per Grundgesetz geschützten Bürgerrechte zunehmend durch den deutschen Staat eingeschränkt werden. Der Report dokumentiert, an welchen Stellen und mit welchen Mitteln diese Entwicklung vorangetrieben wird, und möchte damit zum politischen Engagement gegen diese Tendenz motivieren."

Da geht es um Racial Profiling, um verletzten Datenschutz, um unterdrückte Meinungsfreiheit, um illegales Abhören oder auch um krasse Verletzungen des Rechtsschutzes  wie etwa im Fall von Maja T.: die Auslieferung einer nicht binären Person in einer Nacht-und-Nebel-Aktion nach Ungarn, in ein offen queerfeindliches Land. Den drastischen Fall hat unter anderem auch das Portal Legal Tribune Online detailliert beschrieben und rechtlich eingeordnet.

Bei der Pressekonferenz in Berlin konzentrierten sich die Macher des Grundrechte-Reports 2025 indes auf zwei Themen: die Opfer von tödlicher Polizeigewalt. Und die Folgen, die das Unterbinden von Studierendenprotesten auf die Meinungsfreiheit hat.

Polizeigewalt

In dem Report sind verschiedene Fälle staatlicher Gewalt aufgeführt. Da geht es um Misshandlungen in der Justizvollzugsanstalt Augsburg-Gablingen. Und um Fälle tödlich verlaufender Polizeieinsätze. Wie den den in Dortmund, wo der 22-jährige Mouhamed D. durch fünf Schüsse aus einer Polizeipistole getötet wurde.

In dem Report heißt es: 

"Der gewaltsame Tod von Mouhamed D. durch die Polizei ist kein Einzelfall. Allein in Deutschland wurden seit seinem Todestag weitere 38 durch Taser und Schusswaffeneinsatz der Polizei verursachte Todesfälle bekannt."

Ausführlich berichtete Medienwissenschaftlerin Sevda Can Arslan, die in einer Bürgerinitiative zur Aufklärung solcher Fälle aktiv ist, bei der Pressekonferenz über den gewaltsamen Tod des 47-jährigen Ante P. in Mannheim, über den es in dem Report heißt: 

"Ein Beamter hatte am 2. Mai 2022 Pfefferspray gegen ihn eingesetzt und mehrfach mit der Faust gegen den Kopf des am Boden Liegenden geschlagen. Sein Kollege übte zeitweise Druck auf den Rücken von Ante P. aus. Kurz nach den Schlägen gegen seinen Kopf bewegte sich der Mann nicht mehr, minutenlang erhielt er keine Hilfe. Laut rechtsmedizinischem Gutachten war er erstickt, der Verteidigung zufolge sei er aufgrund seiner schlechten körperlichen Konstitution verstorben."

In Mannheim hat sich daraufhin die Initiative 2. Mai gegründet. Den Aktivisten geht es um Aufklärung, sie wollen auf polizeiliche Fehler und mangelhafte justizielle Aufarbeitung aufmerksam machen. Arslan sagt: 

"Die vielen Fälle von tödlicher Polizeigewalt haben ein Muster: Die Getöteten sind marginalisiert und befinden sich häufig in psychischen Krisen. Immer ist im Polizeinarrativ von Notwehr die Rede, nie von institutionellem Rassismus. Die Hinterbliebenen werden allein gelassen und müssen selbst für Aufklärung und Gerechtigkeit sorgen. Doch die Deutungshoheit der Polizei beginnt immer mehr zu bröckeln, zu viele Menschen sagen inzwischen, dass dies keine Einzelfälle sind."

Foto: © Franziska Görlitz
Sie präsentierten den Grundrechte-Report 2025, von links nach rechts: Sevda Can Arslan, Jessica Grimm, Maximilian Steinbeis, Charlotte Ellinghaus. Foto: © Franziska Görlitz

Britta Rabe ist Redaktionsmitglied des Grundrechte-Reports. In ihrem Beitrag über polizeiliche Gewalt beklagt sie:

"Polizist*innen müssen sich fast nie für die tödlichen Konsequenzen ihrer Gewalteinsätze verantworten: Üblich ist die Einstellung der strafrechtlichen Ermittlungen. In den Begründungen lautet es dann regelmäßig, die betreffenden Beamt*innen hätten in Notwehr und damit rechtmäßig gehandelt. Solche Urteile signalisierten, polizeilicher Waffengebrauch und Gewalteinsatz gegen Menschen in Krisensituationen seien alternativlos. Indes werden mit jedem neuen Todesfall durch die Polizei Forderungen von Hinterbliebenen und der Zivilgesellschaft lauter, Kriseninterventionsteams als Alternative zum klassischen Polizeieinsatz zu senden. Menschen in psychischen Ausnahmesituationen brauchen kein bewaffnetes Gegenüber, sondern professionelle und empathische Unterstützung."

Arslan sieht auch die Medien in solchen Fällen in der Pflicht. Diese hätten gerade auf lokaler Ebene oft eine große Nähe zu Polizei und Staatsanwaltschaft. Und verließen sich auf die Darstellung der professionellen Pressestellen dieser Behörden. Hier bedürfe es einer größeren Distanz, auch aktivistische Gruppen wie etwa die Initiative 2. Mai sollten als Ansprechpartner wahrgenommen werden, um eine ausgewogene Berichterstattung sicherzustellen.

Studierendenproteste und Meinungsfreiheit

Jessica Grimm ist Strafverteidigerin in Berlin. Sie berichtete bei der Pressekonferenz zum Grundrechte-Report über Strafverfahren gegen Studierende, die aus Protest gegen den Krieg in Gaza Teile der Humboldt-Universität sowie der Freien Universität in Berlin besetzt hatten. Auch darum geht es in einem Kapitel des Grundrechte-Reports. Grimms bittere Anklage:

"Meinungsfreiheit versus Staatsräson: Die in Deutschland wiederauflebenden Studierendenproteste werden von staatlichen Institutionen mit drastischen Grundrechtseinschränkungen beantwortet. Das Recht auf Protest ist fundamental und muss verteidigt werden." 

Werde mit Strafverfahren gegen Protestierende vorgegangen, würden die Betroffenen in der Weise eingeschüchtert, dass sie in Zukunft ihr Recht auf Meinungsfreiheit nicht mehr ausüben würden. Das schränke generell das Recht auf Demonstrations- und Meinungsfreiheit ein.„"

Der Grundrechte-Report 2025 ist ein gemeinsames Projekt von: Humanistische Union, vereinigt mit der Gustav Heinemann-Initiative, dem Bundesarbeitskreis Kritischer Juragruppen, der Internationalen Liga für Menschenrechte, dem Komitee für Grundrechte und Demokratie, der Neuen Richter*innenvereinigung, Pro Asyl, dem Republikanischer Anwältinnen-und Anwälteverein, der Vereinigung Demokratischer Jurist:innen, dem Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung sowie der Gesellschaft für Freiheitsrechte

Frankfurt/Main, Fischer Taschenbuch Verlag, 240 Seiten, 14 Euro, ISBN: 978-3-596-71238-0